Täglich 3500 gesunde Mittagessen für Kitas und Schulen
Was kleine Bäuche satt und glücklich macht
Beim amaranth Kinder-Catering stehen behinderte und nicht-behinderte
Menschen seit Mitte der 1990er Jahre gemeinsam in der Großküche. 36
Menschen, die dafür sorgen, dass 3500 kleine wie große Kinder in Krippen, Kitas
und Schulen eine warme und gesunde Mahlzeit erhalten.
WIESBADEN. „Wenn ich während der Produktion zwischen 7 und 11 Uhr hier
aufkreuze, dann heißt es: ‚Chef, geh woanders hin, hier wird gearbeitet‘“, flachst
Sebastian Wille. Der 38-Jährige ist Küchenchef beim amaranth Kinder-Catering der
gemeinnützigen Job GmbH der IFB-Stiftung. Er stellt sicher, dass 3500 Mittagessen
pünktlich die Küche in Wiesbaden-Erbenheim verlassen, um hungrige Kinderbäuche im
Raum Wiesbaden, Eltville und Hünstetten satt und glücklich zu machen.
Fünfmal pro Woche werden täglich zwei bis drei Menüs in einer kleinen, aber
hochprofessionell ausgestatteten Küche zubereitet. Eingespielte Teams aus
behinderten und nicht-behinderten Menschen arbeiten routiniert Hand in Hand. Der
Anteil von Menschen mit Einschränkungen liegt bei über 40 Prozent. In der Küche ist
das kein Thema. Dort wiederholt sich an jedem Werktag eine Choreografie, bei der
jeder Handgriff sitzt. Begleitet von nur wenigen Worten, Radiomusik und dem leisen
Scheppern von unzähligen Edelstahlbehältnissen, die zügig in große, mit heißer Luft
erwärmte Kunststoffboxen verladen und zu den wartenden Auslieferungsfahrzeugen
gerollt werden.
Aber nicht ohne vorher noch einmal abschließend die Temperatur zu messen.
Überhaupt wird hier alles Essbare während der gesamten Verarbeitungs- und
Aufbewahrungszeit engmaschig auf den gewünschten Wärme- oder Kältegrad
überprüft. „Wir unterliegen amtlichen Vorgaben, bei welchen Temperaturen Warmes
wie Kaltes das Haus verlassen darf. Lebensmittelsicherheit ist ein zentrales Thema“,
betont Wille. Die Schleifchennudeln sind auf alle Fälle wohlauf; Temperatur, aber auch
Konsistenz und Geschmack stimmen, wie der Gabeltest beweist.
Von der Hand in den Mund
In der Kinderküche kommt großes Gerät zum Einsatz. Schneebesen und Kochlöffel
haben Tennisschläger-Format, Kochbehältnisse das Fassungsvermögen einer
Badewanne. Heute enthält die Wanne Spinat. Dazu gibt es Gemüseomelette und
Salzkartoffeln. Die Sättigungsbeilage wiegt allein 300 Kilo und hatte keine weite
Anreise. „Wir verwenden viele frische, regionale Produkte und werden jeden Morgen
gegen 5 Uhr mit rund zwei Tonnen Lebensmitteln beliefert, sagt Wille. Und in der Tat
besteht sein Lager nur aus vier spärlich besetzten Regalen. Vorwiegend Zucker, Salz,
Öl, Reis und Nudeln. Der Rest ist Hand-in-den Mund-Geschäft.
Die Gesamtmenge wird genau kalkuliert. „Wir bereiten nur zu, was auch gegessen
wird. Wir waren schon 2006, als ich hier anfing, darauf bedacht, Ressourcen mit
Augenmaß einzusetzen. Lange bevor Nachhaltigkeit zum Modewort wurde“, sagt
Sebastian Wille.
Nachhaltigkeit war schon immer ein Maßstab
Das gibt die Küche auch an die Kunden weiter. Keiner soll für etwas bezahlen, was
nicht nachgefragt wird. Deshalb können Kitas und Schulen alle Komponenten einzeln
wählen. „Die wissen, was bei ihnen läuft. Wenn sie 40 Kinder haben, aber Salat nicht
bei allen gut ankommt, dann bestellen sie eben entsprechend weniger von dieser
Beilage. Das schont das Budget und am Ende muss nichts weggeworfen werden“,
erklärt der Küchenchef sein Verständnis von Nachhaltigkeit beim Verzehr. Ebenfalls
aus Gründen der Nachhaltigkeit waren einzeln verschweißte Tellerportionen für
amaranth nie ein Thema.
Die Gesamtmengen bemessen sich nach Kindesalter. Je älter die Kinder umso größer
die kalkulierten Portionen und etwas höher der Preis. Abgerechnet wird monatlich mit
der Einrichtung, die wiederum das Geld von den Eltern bekommt.
Mit dem Essen ist nicht Feierabend, das ist bei amaranth nicht anders als daheim. Es
muss gespült und aufgeräumt werden. Die Fahrerflotte schwärmt nachmittags ein
zweites Mal aus, sammelt die Boxen mit den leeren Behältnissen wieder ein, wäscht
und wienert bis es blinkt - für den nächsten Kinder-Catering-Tag. Denn nichts ist so
vorhersehbar wie der Hunger von morgen.
Mehr unter www.job-ifb.de/amaranth-kinder-catering
Alfons Oehlenberg: Einer von 36
„Es geht mir gut“
Alfons Oehlenberg ist seit 2006 Spül- und Reinigungskraft beim amaranth KinderCatering.
Seit Sommer hilft er zusätzlich stundenweise im Fahrdienst. Denn die Boxen
mit dem Mittagessen wiegen schwer. Da ist einer, der zupackt, eine große Entlastung.
Ob an der Spülmaschine oder bei der Müllentsorgung: Oehlenberg lässt sich nicht
lange bitten. Und er hat ein offenes Ohr für die Kolleginnen und Kollegen, die - wie er
selbst - schwerbehindert sind. Er vertritt als Schwerbehindertenvertreter ihre
Interessen. In der gemeinnützigen Job GmbH der IFB-Stiftung sind derzeit 77
Menschen mit Schwerbehinderung tätig, in Küche, Gebäudereinigung, als Hausmeister
oder in handwerklichen Dienstleistungen. „Wenn die mir etwas anvertrauen, dann
schweige ich wie ein Pastor“, sagt er, und lässt keinen Zweifel daran, dass er diese
Pflicht sehr ernst nimmt.
Im Oktober und November finden Neuwahlen statt, dann ist Oehlenberg im
„Wahlkampf“. Denn er will Schwerbehindertenvertreter bleiben. Er mag die
Fortbildungen, durch die er sich über Änderungen im Schwerbehindertenrecht auf dem
Laufenden hält. Und er mag seine Arbeit. Meist kommt er früher als nötig. Um 9.45
startet seine Tour; um 11:50 Uhr ist er zurück und macht Mittagspause. Weiter geht es
mit Spülen und Putzen. Kühlhäuser, Böden, Geschirr, Transportboxen: „Alles muss
keimfrei sein, wegen der Hygienevorschriften.“
Oehlenberg hofft, dass es nicht wieder einen Lockdown gibt, wie von März bis Mai
2021. Das sei hart gewesen: „67 Prozent des Lohns sind schnell weg“, so seine
Erfahrung mit der Kurzarbeit. Was er selbst tun kann, um das zu vermeiden, hat er
getan: Er ist geboostert, wie alle im Küchenteam, testet sich trotzdem regelmäßig.
Früher war er Gabelstaplerfahrer bei Opel in Rüsselsheim, kam über ein Praktikum zu
amaranth. Eigentlich könnte er mit 62 in Rente gehen oder auch schon früher, denn er
hat ausreichend Beitragsjahre zusammen. Aber es klingt nicht so, als habe er es damit
eilig: „Ich bin kein fauler Hund“, sagt er mehrfach. Und fügt hinzu: „Es geht mir gut.“